Montag, 25. Juni 2007

Runde 4: Cornflakes

Cornflakes oder Die Hure Babylon (qos)

Manchmal gibt es diese Tage: Du stehst auf und dir scheint die Sonne aus dem Arsch. Direkt nach dem Aufwachen kommt dir alles richtig vor und die Welt jung und warm und Vögel zwitschern.
Meistens ist es anders. Man trinkt zu viel oder gar nicht, man schläft schlecht, man denkt viel Wichtiges, nachts, oder nichts. Man wacht auf und muss weitermachen. Lesen, schreiben, arbeiten.
Ein Frühstück wäre gut. Die Süddeutsche liegt seit Neustem jeden Morgen auch in meinem Briefkasten. Ein Frühstück, irgendwo anders, nicht bei sich, damit man anonym sein kann mit der Welt.
Man zieht etwas an, das nett aussieht, was sieht nett aus, nein, man zieht etwas an, das aussieht, als würde man nicht sprechen wollen, das ein bisschen wütend ist, aber nicht zu sehr, ein modisches Statement, aber kein Lebensentwurf. Ein schwarzes Top etwa, mit schwarzem Schmuck, eine Blue Jeans, schwarze Stiefel, aber dann: ungeschminkt, keine schwarzen Nägel, keine Totschlagaccessoires. Man geht hinaus, schließt die Tür, läuft Treppen hinunter, stoppt an der Ampel, geht los, ins Café.
Dort sitzt man dann. Man frühstückt, liest Zeitung. Man isst natürlich etwas, das man zu Hause nicht hat und hat man alles, dann eben: Cornflakes.

Das bestelle ich und es ist dumm, Cornflakes in einem Café zu essen. Aber mir scheint eben auch nicht die Sonne aus dem Arsch und deswegen beiße ich nicht in deutsch schmeckende französische Croissants, die ich mit Himbeermarmelade aus kleinen Plastikbecherchen voll schmiere, die nur noch mehr Abfall auf dem Müllhaufen unserer Nation bedeuten würden. Nein, ich esse Cornflakes. Harmlos aussehende, goldfarbene Flakes, die in Milch schwimmen. Ich hasse Milch, sie wird mir nur erträglich, wenn sie gesüßt wird, durch Zucker, der an Flakes klebt etwa.
Ich löffele Cornflakes, das ist natürlich immer schwierig, mit den Händen arbeiten und gleichzeitig Süddeutsche lesen zu wollen. Meine hat darum immer ganz viele Knicke, ich knicke das Papier um einen großen Artikel herum, dann muss ich nichts mehr bewegen beim Essen.

Ich löffele, lese, denke. Denke, was wohl die anderen denken, wenn sie mich hier Cornflakes löffeln sehen, in meinem schwarz gewandeten Modestatement. Denke, huhu, die Welt ist wach, total und alle sind glücklich. Ach, ich vergaß zu erwähnen: Es ist Frühling. Die Schlampe ist raus gekrochen und überall sprießen Blumen und Blätter und Bienchen summen und alle packen Röcke und Kleider aus und starten in ein neues Balzritual, das natürlich nur die große Liebe sein kann.

Nun denn. Cornflakes. Schmecken kacke, sobald sie drei Minuten mit Milch in Berührung gekommen sind. Man könnte sein Frühstück mit Cornflakes starten und sobald man die Flakes in die Milch gibt, setzt man Eier auf. Die kann man dann essen, wenn die Cornflakes anfangen, kacke zu schmecken. Ziemliche Geldverschwendung, Cornflakes zu bestellen. Genauso wie Martini, nachdem man schon zu viel Bier hatte. Oder so.

Ich hätte gerne einen Hund. Nur, um des Namens Willen. Die Hure Babylon würde ich ihn nennen. Ob es eine Rufnamenabkürzung gibt, müsste dann noch geklärt werden. Der könnte dann die Cornflakespampe essen, die nach 10 Minuten anfängt, am Teller zu kleben. Man könnte auch sein Mittagessen mit Cornflakes starten und sobald man die Flakes in die Milch gibt, setzt man Nudeln auf. Die sind dann fertig, wenn die Cornflakes am Teller kleben. Pesto drauf, essen.

Die Süddeutsche ist auch nicht mehr das, was sie war, als man sie noch nicht abonniert hatte. Heimlich gelesene Streiflichter auf fremden Küchentischen, nachdem man morgens in fremden Betten aufwachte. One-Night-Stands lohnten sich allein deswegen. Jetzt hat man den Salat. Ein Konglomerat von Schreckensgeschichten. Soviel wollte man eventuell gar nicht wissen, über die Welt. Und jetzt sind One-Night-Stands meist nur schlechter Sex und Mundgeruch am nächsten Morgen. Das Streiflicht hat man ja dann selbst zu Hause. Manchmal schaffe ich es, das Gesprächsthema am Abend vorher auf Tageszeitungen zu lenken. Und irgendwie bin ich immer ein bisschen dankbar, wenn ich bei einem FAZ-Abonnenten lande. Auch wenn ich weiß, dass ich mit so einem früher nie ins Bett gegangen wäre.

Auch das geht: Man liest sich fest an Seite Drei, vergisst die Cornflakes, und wenn das Ganze in einem Zustand zwischen Drei- und Zehn-Minuten-Matsche ist, erinnert man sich wieder, weil sich Seite Drei auch irgendwo dazwischen befindet und dann nimmt man Seite Drei, wischt die Cornflakes-Schüssel damit aus und schmeißt das Ganze weg.

Wenn ich meinen Hund Die Hure Babylon nenne und er auf einer Wiese davon sprintet, müsste ich ihn wohl Babylon rufen. Die Hure Babylon kann man etwas ja nicht rufen, höchstens: Du Hure Babylon. Das wäre ja aber auch blöd, weil es sich immer so anhören würde, als wäre ich wütend auf den Hund. Gleiches gilt, wenn man den Hund einfach Hure nennen würde. Babylon ist ein langweiliger Name für einen Hund. Man könnte ihn Cornflakes nennen. Und gucken, was passiert, wenn man ihn drei bis zehn Minuten in Milch legt. Und was er mit der Zeitung macht.

1 Kommentar:

Sternenstauner hat gesagt…

so schön dass du deine Stimme wieder gefunden hast!