Fragmente meiner selbst (Sternenstauner)
In einem Zug nach irgendwo sitzend, starre ich in mein blasses Spiegelbild, durch mein blasses Spiegelbild, durch die Scheibe, durch den Regen, durch die Landschaft, das Land, die Welt. Wie Staubkörner an einem sonnigen Tag auf einem alten Speicher hängen Erinnerungen, Teile von mir, in der Luft. Zum greifen nah und doch unwiederbringlich schon gelebt.
In einem Zug fahren wir nach Köln, in der Hand die zweite Flasche Kölsch. Im Kopf der Qualm der dritten Tüte. Wir sind noch jung und auf der Suche. Und Lachflashs brennen sich in Wangenmuskeln ein.
Bahrain Airport - Buntes Völkergemisch. Meltingpot für Minuten. Zwischenwelt.
Schallend lachen wir auf dieser Fahrt mit dem Auto nach Prag und immer wieder singen wir dasselbe Lied. Das das Radio kaputt ist tut keinem weh. Hinfahrt - Rückfahrt - egal. Kostbarer Moment in dieser Leichtigkeit.
An meinen Füßen ausgelatschte Flipflops und im Geist die Leichtigkeit siamesischer Träume, gepaart mit der süßen Schwere der Legenden vom Strand. Das Licht in diesem mit nach Antworten suchenden Touristen gefüllten, überfüllten, voll gestopftem Bus ist aus und so trifft mein Blick nicht den meiner Augen sondern gleitet weiter in die Endlosschleife der thailändischen Nacht auf dem Highway nach Süden.
Nach Süden fahren wir diesen Sommer, in meinem Auto, und bevor der Morgen graut haben wir Zelt, Kocher und ein paar Ideen von Freiheit unterwegs im Kofferraum verstaut. Und noch vor Tagesanbruch und vor Frankfurt schmecken wir in einem kurzen Moment den bitteren Beigeschmack der Straße.
Während ich in der Abflughalle sitze um mich herum Leute. Von überall. Wie es wohl wäre sich mit ihnen zu unterhalten? Nur einfach eine Frage zu stellen. Kein wo-kommst-du-her-wo-gehst-du-hin-blabla. Eine Frage die tiefer geht. Die interessanter ist. Selbst wenn ich diese Frage kennen würde, stellen täte ich sie kaum. Und so sitzen Welten beieinander. Und kollidieren nicht.
In einem Zug fahren wir in die Berge und die Baseballkappe und die kurzen Hosen und meine Hand auf dem Kopf meiner Schwester und die Sommersonne im Nacken geben mir dieses Müsliriegelsommerausflugsgefühl das vielleicht Momente später durch Geschrei und Tränen unterbrochen wird.
Andere Tränen, diesmal meine, pochen hinter den Augen als ich im Flugzeug von Saigon sitze. Das alles doch gut wird, zumindest diesmal, weiß ich noch nicht.
In einem Zug fahren wir nach Osten ans Meer. Die Blumen der Pubertät in meinem Gesicht sind kaum verblüht und die Unsicherheit vergangener Tage wird noch lange weiter an mir hängen bis ich Jahre später aus dem grünen Qualm erwache.
Das ist halt immer die Sache, dass Leute tief in deinem Herzen sind, wenn die Welt sich dreht. Der Preis eben für das große Abenteuer, das Leben on the move, die Restlessness, das stetige getrieben sein. Zu neuen Ufern. Zu alten Ufern. Ausufern des täglichen Wahnsinns. Wenn Bewegung so sehr zum Sinn wird, dass sie schon keinen Sinn mehr macht. Aber wäre ein jeder Unschritt nicht Verrat? Oder ist dieses Selbstbild bloß die Projektion der Angst nichts Bedeutendes zum machen? Nichts zu bedeuten?
Lepuh Chulia, Lepuh Chulia, Lepuh Chulia, Lepuh Chulia. Ein Mantra. Mein Mantra für Sekunden.
Der öffentliche Nahverkehr in Kuala Lumpur ist kalt. Aus dem Fenster sehe ich die Zwillingstürme. Elektronische Beats in meinem Ohr machen mich glücklich in diesem Moment. Auch wenn ich manches Mal nicht weiß was ich hier mache und wohin das alles wohl führt.
In einem Zug nach irgendwo sitzend starre ich in mein blasses Spiegelbild, durch mein blasses Spiegelbild, durch die Scheibe, durch den Regen, durch die Landschaft, das Land, die Welt. Wie Staubkörner an einem sonnigen Tag auf einem alten Speicher hängen Erinnerungen, Teile von mir, in der Luft. Zum greifen nah und doch unwiederbringlich schon gelebt.
3 Kommentare:
Danke! So schön, dass du dich trotz der Zweifel, die in "Züge" durchklingen, in Asien gefunden hast!
hab ich das? :-)
irgendwie vermisse ich den qos-text zu dieser Runde ;)
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