Samstag, 11. August 2007

Runde 6: Schmetterling

Schmetterling (qos)

Vielleicht denken wir nur, der Schmetterling sei schön.
Vielleicht wäre er lieber eine Raupe geblieben.
Flügelschläge.
Die Art, wie seine Hand zum Kragen fährt, die Krawatte löst und in die Tasche seines Anzugs steckt. Den obersten Hemdknopf öffnet. Ein milchiges Hautdreieck wird sichtbar.
Der Flügelschlag, kurz, irgendwo im Herzen.
Man darf sie nicht anfassen, Schmetterlinge. Sie fliegen dann nicht mehr.
Etwas entpuppt sich, aber noch ist es im Kokon gefangen.
Das Jahr liegt brach und wüst zurück und gerade erst
fraß man sich durch dickes, junges Grün und ruhte aus.
Man tanzte neu und: viel.
Versprach im funzeligen Nachtlicht vor Haustüren
immer gleiches, immer gleichen.
Schmeckte Wärme, kurz.
Wir nennen es Momente, es sind Tode,
in Wahrheit sind es Tode;
die Momente: sie haben Flügel in uns und schlagen,
sanft;
die Art, wie er die Brille abnimmt und auf den Tresen legt,
wie seine Augenbrauen sich kräuseln, grau manchmal.
So viele Tode, mit denen, die da sind,
man berührt Hände, Gesichter, Münder –
doch nichts rührt, im Herzen,
kein Blut rauscht und es ist still.
Die Raupe frisst,
sie ist die Raupe Nimmersatt,
so grün und neu und jung das Blatt,
so sprach die Raupe Nimmersatt,
so fraß die Raupe Nimmersatt
sich in den Tod.
Wir liegen im Kokon und dann:
vielleicht wäre die Raupe lieber eine Raupe geblieben?
Das kann sie nicht,
sie wählt doch nicht,
schon schlagen Flügel, sanft,
ein Schmetterling,
ich sehe dich, du liest,
vor Waschmaschinen.
Fass ihn nicht an, den Schmetterling,
ich sehe dich, du liest, ernst,
vor Waschmaschinen.
Du bist Momente, Flügelschläge,
denn Momente sind Menschen,
nie weniger,
Momente, und dann spricht die Welt,
immer, wenn ich dich sehe,
spricht die Welt
und Schmetterlinge fliegen.
Ich schenke dir eine Geschichte.
(Cornflakes)
Sie gehört dir längst.